22.11.2006 | Rubrik: Anfragen
Sozialhilfeleistungen und Abschiebungen / Presseberichterstattung über Betrug und darauf folgende Abschiebungen
An den
Vorsitzenden des Kreistages Offenbach
Kreistagsbüro
Sehr geehrte Damen und Herren,
in zahlreichen Pressemeldungen war zu lesen, dass Asylbewerber mit gefälschten Papieren im Kreis Offenbach Sozialleistungen erschlichen hätten. Die betreffenden Personen hätten sich als staatenlose Palästinenser ausgegeben, die in Wahrheit jedoch jordanische Staatsbürger seien. 71 Jordanier seien zusammen mit ihren Familien abgeschoben worden, weitere 75 Verfahren würden noch laufen.
Ermittelt hatte die so genannte „AG Wohlfahrt“, eine Kooperation von Kreis und Polizei, die 2006 aus der „AG Ermittlungen“ hervorgegangen sei.
In den Berichterstattungen blieb gänzlich offen, inwiefern ein geordnetes Verfahren zu diesen Vorgängen sichergestellt war.
Wir fragen dazu:
- In welchem Umfang arbeiten Bedienstete des Kreises für die „AG Wohlfahrt“? Wie viele Personen arbeiten aus welchen Fachbereichen mit?
- Wann wurden die Ermittlungen in den genannten Fällen aufgenommen und wann erfolgten die Abschiebungen?
- Wie viele Frauen und Kinder wurden wann abgeschoben?
- Waren darunter Kinder, die in den Kommunen des Kreises Kindergärten und Schulen besuchten? Wenn ja, wie viele?
- Da Jordanien die israelische Besetzung nach dem 6-Tage-Krieg nicht akzeptiert hat, werden bis heute Pässe durch das Königreich Jordanien für Palästinenser aus den besetzen Gebieten ausgestellt. Wenn Palästinenser ausreisen, geht das nur mit einem jordanischen Pass, da es keine Reisepässe des Staates Palästina gibt. Insofern ist es keineswegs zwingend der Fall, dass Inhaber jordanischer Pässe auch aus Jordanien stammen – die Angabe „staatenlos“ kann durchaus zutreffend sein. Wie konnte bei den bereits abgeschobenen Personen sichergestellt werden, dass ihre Angaben tatsächlich falsch waren?
- In der UN-Charta der Menschenrechte ist das Recht auf einen Rechtsbehelf bzw. ein Gerichtsverfahren festgeschrieben. Wurden die Personen allein aufgrund des Betrugsverdachts ausgewiesen? Inwiefern wurde ein rechtsstaatliches Verfahren sichergestellt?
- In der UN-Charta der Menschenrechte ist ebenfalls das Recht auf ärztliche Versorgung geregelt. Ein großer Teil der entstandenen Kosten ist durch Krankenkosten entstanden (z.B. durch einen Minderjährigen mit Morbus Gaucher, einer schweren, schmerzhaften Erbkrankheit, die zu verformten Knochen und geschädigter Leber führt). Inwiefern wird in Bezug auf die entstandenen Krankenkosten von Betrug ausgegangen?
- Lt. der Berichterstattung darüber in der FAZ vom 13.11.06 wird im Zusammenhag mit der Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen auf ähnliche Fälle in der Türkei verwiesen: „Dies ist laut Walter keineswegs aussichtslos. In ähnlichen Fällen in der Türkei sei dies schon oft gelungen (...)“. Wann haben wie viele Menschen aus der Türkei zuvor Leistungen in der genannten Größenordnung zu Unrecht erhalten? Wann wurde das aufgedeckt? Welche Beträge wurden zurückgefordert?
Mit der Bitte um Beantwortung in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses.
Für Ihre Mühe danken wir.
Mit freundlichen Grüßen
Reimund Butz